Durch die Atombombe zur Waise geworden

Hidenori Yamaoka aus Hiroshima

Vor 61 Jahren, am 6. August 1945 um 8:15, explodierte 600 m über Hiroshima eine Atombombe. Man geht davon aus, dass in Hiroshima damals ca. 300 000 Menschen lebten, und dass durch die im Moment der Atomdetonation freigesetzten mehrere Millionen Grad ca. 100 000 Menschen verbrannten. Im gleichen Augenblick wurden auch ungezählte Tiere und Pflanzen ausgetilgt. Bis zum Ende des vergangenen Jahres sind darüber hinaus weitere 40 000 Menschen an den Folgen der Atomexplosion gestorben. Auch meine Eltern sind wenige Tage nach dem Atombombenabwurf ihren Brandverletzungen erlegen.

Ich bin eine der Atomwaisen, die ihre Eltern durch die Atombombe verloren haben.

Damals war die Versorgung mit Lebensmitteln katastrophal, und auch bei mir führte die Mangelernährung dazu, dass ich zusehends abmagerte. Die Zeichen meiner damaligen Unterernährung sind auch heute noch an meinen Händen zu sehen. Da meine Eltern nicht mehr lebten, zog ich zu meinem Großvater.

Aber als ich fünf war, starb mein Großvater, und es begann eine schreckliche Zeit für mich: eine Zeit der häuslichen Ungleichbehandlung, Gemeinheit und Gewalt. Mit Ungleichbehandlung meine ich: Wenn sich alle zu den Mahlzeiten versammelt hatten, dann durfte ich nicht mit ihnen zusammen essen. Da ich nicht sehen sollte, was in den Töpfen war, sagte meine Großmutter: „Geh mal ein bisschen weg“. Hatten schließlich alle ihre Mahlzeit beendet, dann war ich an der Reihe, allerdings war dann im Prinzip alles aufgegessen. Hatte es z.B. Fisch gegeben, so gab es für mich nur noch die Gräten. Auch der Reis war alle. Für mich waren nur noch Beilagen wie Süßkartoffeln, Kartoffeln oder Kürbis übrig geblieben. Es war also kein Wunder, dass ich zusehends abmagerte.

Als ich eingeschult wurde, wusste meine Klassenlehrerin um meine Unterernährung und versuchte mir zu helfen. Bei der Schulspeisung bekam ich beispielsweise immer etwas mehr zu essen als die anderen Schüler. An den Samstagen und Feiertagen nahm sie mich mit zu sich nach Hause und klärte mich über das Gute und das Böse in der Welt auf.

Im Juni des Jahres, in welchem ich in die fünfte Klasse ging, hielt ich es schließlich nicht mehr aus, dass meine Großmutter zu mir ständig „Verschwinde!“ oder „Verreck doch!“ sagte. Deshalb beschloss ich eines Tages, mich umzubringen. Ich hatte vorher noch nie in der Schule gefehlt, aber an diesem Tag schwänzte ich und ging den kurzen Weg zum Meer.

Ich wollte lieber sterben als so weiterzuleben und ging deshalb ins Wasser. Als mir das Wasser schon bis zum Hals reichte, hörte ich einen Mann rufen: „He Kleiner, was machst du denn da?“.

Er holte mich aus dem Wasser, nahm mich mit zu sich nach Hause und fragte mich nach den Gründen für mein Handeln, woraufhin ich ihm von den schrecklichen Zuständen bei mir zu Hause berichtete. Der Mann, der mir das Leben gerettet hatte, antwortete: „Es ist nicht schwer zu sterben. Aber wer soll nach deinem Tod das Grab deiner Eltern pflegen?“

Mir wurde klar, dass er Recht hatte. Dann fuhr er fort: „Es gibt im Leben viele Sachen, die schwer zu ertragen sind. Aber man muss die Zähne zusammenbeißen und darf nicht aufgeben.“

Dann kam plötzlich ein Brief, in welchem stand: „Von heute an kannst du mich „Mutter“ nennen. Die „Mutter“ dieses Briefes hatte aus den Nachrichten erfahren, dass es 80 Atomwaisen gäbe und beschlossen, meine Ersatzmutter werden zu wollen. Damals in den 50er Jahren gab es fast noch keine Telefone, weshalb man Briefe schrieb. In meinen Briefen berichtete ich ihr von den Ereignissen meines täglichen Lebens. Sie schickte mir ihrerseits aufmunternde, anspornende Briefe und legte Lebensmittel und Kleidungsstücke bei.

Heute engagiere ich mich in verschiedenen Freiwilligenprojekten, von denen eines darin besteht, über meine Erfahrungen mit der Atombombe zu berichten.

Die Schüler an den japanischen Schulen machen normalerweise Klassenfahrten nach Hiroshima, nehmen hdort z.B. an der Friedenserziehung teil.

Bei einer Bevölkerung von 300 000 Menschen verbrannten 1945 in einem Augenblick 100 000. Bis zum Ende des vergangenen Jahres starben weitere 40 000 Menschen an den Spätfolgen, und auch künftig werden Atombombenopfer sterben. Im letzten Jahr waren es beispielsweise 2400, die von uns gingen. Auch heute noch kämpfen Atombombenopfer unter Schmerzen um ihr Leben. Bis heute wurden 240 000 Existenzen zerstört. Die Zahl der Atombombenopfer, die heute noch leben, liegt bei – mich eingeschlossen – 80 000. Unter der Bevölkerung des von Atombomben getroffenen Japans werden die Spuren dieses entsetzlichen Krieges noch lange deutlich sichtbar sein.

Deshalb habe ich vor, bis an mein Lebensende weiter über meine Erlebnisse zu berichten. Auch die Deutschen haben den Krieg kennen gelernt. Lassen sie uns für eine Welt ohne Kriege kämpfen. Die Atombombe darf kein drittes Mal zum Einsatz kommen.

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass ich mich nicht einmal an das Gesicht meiner Mutter erinnere. Manchmal überlege ich, wie es wäre, wenn sie noch leben würde. Ich muss wirklich sehr viel an meine Mutter denken.

Gegenwärtig leben noch ca. 80 000 Atombombenopfer, die Zahl der Todesopfer nach den beiden Atombombenabwürfen beläuft sich auf ca. 240 000, allein im vergangenen Jahr starben in ganz Japan 5 300 Menschen an den Spätfolgen.

Street car burning on Aioi Bridge August 6, 1945
300 m from the hypocenter Drawn by Yoshio Takahara
Bild: Hiroshima Peace Memorial Museum



Der 6. August 1945 im Tagebuch von Sotobayashi

Prof. Dr. Hideto Sotobayashi, Berlin

Ich war 16 Jahre alt und ein Schüler der Eliteschule, deren Schüler von der Zwangsarbeit in der Fabrik befreit waren und für die der Unterricht täglich normal durchgeführt wurde. Am 6. August ab 8 Uhr nahmen 24 Schüler am Chemie-Unterricht teil. Der Schulraum war im ersten Stock des Schulgebäudes, das aus Holz gebaut und 1.5 Km entfernt vom Abwurfzentrum der Atombombe war.

Gebäude in Hiroshima, in dem Herr Sotobayashi den Atombombenabwurf erlebte
Bild: © Sotobayashi

Plötzlich, um 8 Uhr 15, während des Unterrichts, ereignete sich ein Blitz, als wäre eine riesige Lampe eingeschaltet. Anschließend donnerte es. Dadurch stürzte das Schulgebäude ein. Blitz bedeutet in Japanisch Pika und Donner Don. Deshalb nennen die Bewohner von Hiroshima die Explosion der Atombombe “ Pika-Don“.

Als ich wieder zu mir kam, sah ich Licht von oben durch ein Loch und war in der Lage, nach der Beseitigung einiger Trümmer, selber ins Freie zu gelangen. So sah ich, dass alle umliegenden Gebäude eingestürzt waren und stellenweise Feuer ausgebrochen war.

Meinen Freund Komyo fand ich unter den Trümmern des Gebäudes eingeschlossen. Er war verletzt und bat um Hilfe. Mit allen Kräften räumte ich Hindernisse aus dem Wege und half ihm, sich aus seiner Not zu befreien. Inzwischen griff das Feuer um sich. Wenn ich nicht schnell geflohen wäre, hätte mich das Feuer erfasst. Obwohl ich Hilferufe von unten hörte, musste ich meinen verletzten Freund Komyo sofort wegführen.

Er hatte eine Kopfverletzung, ein Ohr hing nur noch am Kopf, aber er konnte zu Fuß gehen.
Wir versuchten in Richtung meines naheliegenden Elternhauses in Funairi zu fliehen.
Aber zwei Flüsse waren zu überqueren. Da die Holzbrücken brannten, konnte man nicht zu Fuß gehen. Ich suchte und fand ein kleines Schiff, brachte meinen Freund an Bord und ich selbst schob das Schiff im Wasser schwimmend an bis zum anderen Ufer. Diese Prozedur wiederholte sich am zweiten Fluss. Man hörte, dass eine provisorische Klinik in Eba südlich von Funairi gelegen war. Dorthin brachte ich meinen Freund und verabschiedete mich von ihm. Er stammte aus Himeji.
Später hörte ich, dass er zu seinem Elternhause zurückkehren konnte und dort verstarb.

Mein Haus in Funairi stand südlich 2.0 Km entfernt vom Abwurfzentrum der Atombombe und war aus Holz gebaut. Durch einen Blitz brannte der im Garten zum Lüften hängende Bettbezug. Da mein Vater im Hause war, konnte er sofort das Feuer löschen. Dadurch wurde das Abbrennen des Hauses verhindert.

Meine Mutter war frühmorgens wegen des Pflichtarbeitsdienstes im Zentrum der Stadt, um eine Straße durch die Beseitigung einiger Häuser zu erweitern. Mein Vater war Lehrer einer Mittelschule und sollte normalweise wegen des Arbeitsdienstes mit den Schülern ebenfalls im Zentrum der Stadt sein.
Da meine Mutter frühmorgens unser Haus verließ, blieb mein Vater etwas länger zuhause. Wenn meine Mutter damals kein Pflichtarbeitsdienst gehabt hätte, wäre sie zu Hause und mein Vater wäre im Zentrum der Stadt gewesen. Jedenfalls wäre einer von den Beiden damals im Zentrum der Stadt gewesen.
Wenn die Bombe später explodiert wäre, wären beide im Zentrum der Stadt gewesen.

Damals wohnte der Schüler Okimasu, Sohn einer bekannten Familie aus dem Umland von Hiroshima in unserem Haus.
Nun mussten wir nach Okimasu und meiner Mutter suchen. Zunächst nach Okimasu.

Sein Arbeitsplatz war in der Nähe der Honnkawa-Brücke, nahe des Abwurfzentrums der Atombombe und wir gingen in diese Richtung am Mittag.
Als wir uns dem Zentrum näherten, bot sich uns allmählich ein höllischer Anblick.
Durch die Verbrennungen löste sich bei den Menschen die Haut von den Armen und blieb an den Fingerspitzen lang runter hängen. Die menschlichen Körper waren ganz schwarz verfärbt. Die Leute irrten orientierungslos umher. Eine schreiende Frau hielt ihr totes Kind im Arm.

An der Honnkawa-Brücke bot sich wiederum ein sehr grausamer Anblick.
Um Wasser zu suchen, lagen die Menschen strahlenförmig dicht auf den Ufertreppen des Flusses.

An der Wasseroberfläche lagen viele Leichen. Darunter erregte eine Leiche meine Aufmerksamkeit, weil die schlafende Haltung mit dem gesenkten Kopf dem Schüler Okimasu sehr ähnlich war. Um ihn zu identifizieren, ging ich die Ufertreppe hinunter zum Fluss, wobei ich die gefallenen Menschen seitlich wegdrängen musste.
Dabei stellte ich fest, dass diese Menschen keine Leichen, sondern Überlebende waren.
Die Leute fassten meine Beine mit ihren Händen und baten mich um “ Wasser“ oder „Bitte verbinden Sie sich mit meinem Haus!“.
Aber ich konnte leider gar nichts tun. Ich schwamm zu der von mir ins Auge gefassten Leiche und erkannte tatsächlich Okimasu, und wir brachten ihn in mein Haus.
Bald kamen die Eltern von Okimasu und wir konnten die Leiche übergeben. Das war um 15 Uhr am 6. August.

Nun, um meine Mutter zu suchen, gingen wir zum vermuteten Rotkreuz-Krankennhaus. Dieses Krankenhaus lag in der Nähe des Ortes, wo ich die Atombombe erlebte. Vormittags konnten wir wegen der Brände die Brücken nicht überqueren, aber nachmittags war es möglich.
Da die Gebäude des Rotkreuz-Krankennhauses aus Stahlbeton waren, blieb es erhalten. Aber ein Feuer breitete sich allmählich aus.

Jedes Zimmer war voller Verwundeter und dort suchten wir nach meiner Mutter, aber ohne Erfolg. Das Feuer breitete sich weiter aus und die Leute wurden weitergetrieben.
In einem Zimmer vor dem Feuer fanden wir glücklicherweise meine Mutter. Sie war bei Bewusstsein und hatte keine oberflächliche Verwundung, aber sie konnte sich nicht bewegen.
Wenn wir meine Mutter etwas später gefunden hätten, wäre sie bereits in das Feuer geraten.
Mit einem Fahrradanhänger brachten wir meine Mutter nach Hause. Das war abends am 6. August.

Nach drei Tagen, am 9. August, starb sie mit 35 Jahren.
Wir bauten den Sarg und betteten unsere Mutter selbst ein. Auf einem nahen Acker äscherten wir ihren Leichnam ein. Wir waren sehr glücklich, dass wir meine Mutter gefunden hatten, und sie bis zu ihrem Tode pflegen und ihr das letzte Geleit geben konnten.

Die im Zentrum der Stadt wohnenden Verwandten und Bekannten flohen zu unserem Haus. Diese Leute hatten scheinbar keine Verletzungen. Aber später fielen ihnen die Haare aus und das Zahnfleisch blutete, wie bei akuter Parodontose.
Das war typische Atombombenkrankheit. Diese Leute starben noch in diesem August.




Mayors for Peace

Die Organisation „Mayors for Peace“ (engl.: Bürgermeister für den Frieden) wurde 1982 auf Initiative des damaligen Bürgermeisters von Hiroshima, Takeshi Araki, gegründet.

Ausgehend von Japan haben sich seit der Gründung insgesamt 8234 Mitgliedsstädte, davon 845 in Deutschland, in 166 Ländern der Organisation angeschlossen (➢ Wikipedia Stand 01.01.2023).

Die Stadtverordnetenversammlung von Potsdam hatte im Jahr 2005 beschlossen „Die Landeshauptstadt Potsdam wird Mitglied der Initiative Mayors for Peace. Der Oberbürgermeister wird zukünftig gemeinsam mit Initiativen, Vereinen und Verbänden der Zivilgesellschaft zu den Jahrestagen der Abwürfe in Hiroshima und Nagasaki im August in geeigneter Form die Initiative Mayor for Peace und deren Anliegen fördern“ (05/SVV/0672). Warum Potsdam dann erst 2013 aufgenommen wurde, wird aktuell über eine Anfrage an den Oberbürgermeister geklärt (siehe Beitrag: Der Oberbürgermeister bleibt die Antwort zunächst schuldig!).

Seit dieser Zeit wird in Potsdam jedes Jahr einmal die Flagge der Mayors for Peace vor dem Potsdamer Rathaus gehisst.

Flagge „Mayors for peace“ vor dem Potsdamer Rathaus
Bild: © Robert Schnabel



Bürgermeister von Hiroshima besucht Gedenktort

Es ist echt schwer, die amtierenden Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki zum Platz einzuladen, da sie nur durch eine Dienstreise hierher kommen könnten.

Herr Tadatoshi Akiba war der Bürgermeister von Hiroshima von 1999 bis 2011. Ihm wurde 2013 die Otto-Hahn-Friedensmedaille „für herausragende Verdienste um Frieden und Völkerverständigung, insbesondere für seinen unermüdlichen Einsatz für die weltweite nukleare Abrüstung und der damit verbundenen Politik der Entspannung und Versöhnung“ verliehen. Zu diesem Anlass war Herr Akiba endlich in Potsdam und am Gedenkort.

Wikipedia: Tadatoshi Akiba

Wikipedia: Otto-Hahn-Friedensmedaille

Laudatio für Tadotoshi Akiba durch Regina Hagen vom 16.04.2013

16.04.2013 Tagesspiegel: Hahn-Enkel ehrt Akiba

Der Bürgermeister von Hiroshima am Gedenkort
Bilder: Hiroshima-Platz Potsdam e.V.



Umbenennung in „Hiroshima-Nagasaki-Platz“

Die Umbenennung des Platzes von Hiroshima-Platz in Hiroshima-Nagasaki-Platz wurde im Dezember 2011 von den Stadtverordneten beschlossen und die neuen Schilder wurden dann am 12. Januar 2012 angebracht.

Hideto Sotobayashi, einer der Ideengeber des Gedenkortes ist im Dezember 2011 gestorben, aber das Vereinsmitglied Masao Fukomoto konnte ihn noch rechtzeitig über den Beschluss zu Umbenennung informieren.

Lesen Sie dazu die Pressmitteilung der Stadt Potsdam:

Heute wurde symbolisch ein neues Schild am „Hiroshima-Nagasaki-Platz“ durch den Beigeordneten für Stadtentwicklung und Bauen Matthias Klipp und dem Vorsitzenden des Hiroshima-Platz Potsdam e.V. Uwe Fröhlich enthüllt.

Die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam hatte mit breiter Mehrheit im Dezember 2011 die Umbenennung des vormaligen Hiroshima-Platzes in Hiroshima-Nagasaki-Platz beschlossen. Matthias Klipp: „Damit ist ein weiterer Schritt zur Vollendung des Platzes vollzogen. Ich freue mich, dass der Gedenkort am Hiroshima-Nagasaki-Platz nun fertig gestellt ist. Seit sechs Jahren begleitet die Landeshauptstadt das Projekt.“

Der Vorsitzende des Hiroshima-Platz Potsdam e.V., Uwe Fröhlich, betont: „Sowohl hier in Deutschland, als auch international, insbesondere in Japan, hat die Umbenennung des Platzes in „Hiroshima-Nagasaki-Platz“ eine hohe Bedeutung. Immer mehr Touristen aus aller Welt besuchen Potsdam und suchen nach dem Ort, wo über den Abwurf der beiden Atombomben unter strengster Geheimhaltung gesprochen wurde. Die beiden Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki blicken auf Potsdam als einen – authentischen Ort – der Weltgeschichte. Im Namen der Mitglieder des Hiroshima-Platz Potsdam e.V. möchte ich mich noch einmal für das Engagement des kürzlich verstorbenen Prof. Dr. Hideto Sotobayashi bedanken. Wir werden sein Vermächtnis bewahren.“

Professor Sotobayashi setze sich maßgeblich für ein zentrales Denkmal in der Landeshaupt-stadt Potsdam ein, dass es jetzt am Hiroshima-Nagasaki-Platz gibt. Hideto Sotobayashi hatte in Potsdam erstmals seit dem Atombombenabwurf über sein Schicksal öffentlich erzählt. Er überlebte am 6. August 1945 als 16-jähriger Schüler die Detonation der Atombombe in Hiroshima.

Mit ganzer Kraft setzte sich Hideto Sotobayashi für eine atomwaffenfreie Welt ein. In das Goldene Buch der Landeshauptstadt Potsdam hatte der Physik-Professor bei seinem Eintrag im August 2011 geschrieben: „In der Hoffnung auf eine atomwaffenfreie Welt.“
Für seine Vorträge in über 150 Städten hat er im September 2011 den Preis für deutsch-japanische Zusammenarbeit des japanischen Außenministeriums erhalten.“

https://www.potsdam.de/content/023-umbenennung-hiroshima-nagasaki-platz
* heute = 12.12.2011




Botschaft vom Bürgermeister von Hiroshima

Herrn Akiba, für die Einweihung am 25. Juli 2010.

Ich möchte einige Worte anlässlich der Einweihung des Gedenkortes auf dem Hiroshima-Platz an Sie richten.

Dieser Gedenkort wird mit einem durch die Atombombe verstrahlten Stein gestaltet, der im Gleis der Hiroshima Straßenbahn Gesellschaft verlegt war. Damit soll an die Tragödien von Hiroshima und Nagasaki erinnert werden. Diese im Hiroshima-Platz verankerte Verbindung wird eine starke Quelle für Mut und Hoffnung für die zahllosen Städte und Bürgerinnen und Bürger auf der ganzen Welt sein, die an der Schaffung einer atomwaffenfreien Welt arbeiten.

Ich habe großen Respekt für alle, die an diesem Vorhaben beteiligt waren.

Die Hoffnungen für die Abschaffung von Atomwaffen und die Realisierung eines dauerhaften Weltfriedens, auf die der Oberbürgermeister Jann Jakobs und die an diesem Vorhaben Beteiligten hoffen, sind die gleichen Hoffnungen wie sie die Bürgerinnen und Bürger von Hiroshima, insbesondere die Hibakushas (Verstrahlte Überlebenden) hegen.

Durch die Führung von Präsident Barack Obama und von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, der übrigens der erste Generalsekretär sein wird, der Hiroshima und Nagasaki besucht, sind unsere Hoffnungen schließlich auf der ganzen Welt verbreitet worden.

Die Stadt Hiroshima arbeitet derzeit mit den über 4000 Mitgliedsstädten der „Bürgermeister für den Frieden“ (Mayors for Peace) und deren Bürgerinnen und Bürgern sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) der Friedensbewegung auf der ganzen Welt zusammen, um unsere Vision 2020 zu verwirklichen. Wir sind entschlossen, Atomwaffen bis zum Jahr 2020 abzuschaffen, weil wir eine atomwaffenfreie Welt mit so vielen Hibakusha wie möglich realisieren wollen. Außerdem werden wir gegenüber den folgenden Generationen unsere Mindest-Verantwortung nicht erfüllen, wenn die heutige Generation die Atomwaffen nicht abschaffen kann.

Um unser Ziel für 2020 zu verwirklichen, müssen wir möglichst viel Mühe unternehmen, bei den Regierungen einschließlich der Atomwaffenstaaten ausreichenden politischen Willen dafür zu schaffen, mit den Verhandlungen für eine atomwaffenfreie Welt zu beginnen.

Um dies zu ermöglichen, müssen wir noch mehr Treibkraft entwickeln, indem wir an einen globalen Konsens für diese Sache arbeiten.

Die Zeit ist gekommen, sich mit Nachdruck für ein Nuklearwaffen-Übereinkommen oder einen anderen rechtlichen Rahmen einzusetzen und die Staaten von der Wichtigkeit des Zeitplans unserer 2020 Vision zu überzeugen.

Abschließend hoffe ich aufrichtig, dass jeder, der an der Zeremonie heute teilnimmt, die Hoffnungen für die Abschaffung von Atomwaffen ins Herz schließt, die in diesen Gedenkort eingebracht wurden. Beteiligen Sie sich mit uns gemeinsam daran, bis zum Jahr 2020 eine atomwaffenfreie Welt in die Tat umzusetzen.

25. Juli 2010
Tadatoshi Akiba
Bürgermeister der Stadt von Hiroshima




Einweihung des Gedenkortes

Einweihungsfeier des Denkmals
Bild: © Daniel Wetzel

Einweihung am 25. Juli 2010, um 11.00 Uhr

Programm der Einweihung

Begrüssung:
Uwe Fröhlich, Vorsitzender des Hiroshima-Platz Potsdam e.V.

Grußwort des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Potsdam:
Elona Müller, Dezernentin für Gesundheit, Soziales, Jugend, Ordnung und Umwelt

Grußwort
Herr Shinya FUJITA, Erster Sekretär, Botschaft von Japan

Chor der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Berlin
• Akatonbo
  Melodie: Yamada Kosaku, 1927
• Hamabe no Uta
  Melodie: Tamezo Narita, 1916
• Ookina Furudokei
  Melodie: Henry Clay Work, 1876

Verlesung der Grußworte der Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki
Christine Pape

Im Gedenken an die Opfer von Hiroshima und Nagasaki
Uwe Fröhlich, Vorsitzender des Hiroshima-Platz Potsdam e.V.
Prof. Dr. Hideto Sotobayashi, Überlebender des Atombombenabwurfs von Hiroshima
Prof. Makoto Fujiwara, Bildhauer und Gestalter des gesamten Konzeptes

Chor der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Berlin

  • Furusato
      Melodie: Schülerlied, 1914
      Satz: Saiko Yoshida-Mengk, 2010
  • Nanatsu no Ko
      Melodie: Nagayo Motoori, 1921
  • Yuyake Koyake
      Melodie: Shin Kusakawa, 1923

Enthüllung des Gedenkortes, Niederlegung von Kranichen auf dem Sockelstein mit den Steinen aus Hiroshima und Nagasaki, die mit jeweils 1000 Kranichen aufgefädelt sind, mit Elona Müller, Prof. Dr. Hideto Sotobayashi, dem Künstler Prof. Makoto Fujiwara, Christine Pape.

Übergabe von jeweils 1000 aufgefädelten Kranichen von Frau Elona Müller und Frau Christine Pape an die aus Hiroshima angereisten Herren, Herrn Kaneko und Herrn Kubo, verbunden mit der Bitte, diese an die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki zu übergeben.

Übergabe von 1000 aufgefädelten Kranichen an die Stadt Potsdam.
Prof. Dr. Hideto Sotobayashi wird die Kraniche an Frau Elona Müller übergeben.

Chor der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Berlin

  • Harukana Tomi ni
    Melodie: Toshi Isobe, 1951
  • Kleine weiße Friedenstaube
    Text und Melodie: Erika Mertke, 1945
    Satz: Saiko Yoshida-Mengk, 2010
  • Komm, Herr, segne uns (EG 170)
    Text und Melodie: Dieter Trautwein, 1978
    Satz: Markus Ziegler, 2007
    Verlag: Strube Verlang München

Fotogalerie




1000-Kraniche Aktion

Die Aktion fand während der Konferenz „Mayors for Peace“(Bürgermeister für den Frieden) am 11.06.2010 statt.

Die gefalteten Kraniche
Bild: © Tsukasa Yajima

SASAKI, Sadako war zweieinhalb Jahre alt, als die Atombombe am 06.08.1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde. Sie wuchs danach gesund heran, aber im Herbst 1954 wurde sie plötzlich sehr müde. Durch die medizinische Untersuchung wurde festgestellt, dass sie Leukämie hat.

Das war die Spätfolge der Strahlung von der Atombombe. Sie musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Sie erfuhr vor einer Freundin von ihr von der japanischen Legende, dass man seinen Wunsch erfüllen kann, wenn man 1000 Kraniche faltet. Sie begann sofort mit dem Falten und hoffte, wieder gesund zu werden. Sie faltete immer und soll über 1600 Kraniche gefaltet haben, weil sie dachte, dass ihre Anstrengung, 1000 Kraniche zu falten, nicht genug ist.

Sie starb aber am 25.10.1955.

Durch diese Geschichte wurden 1000 Origami-Kraniche zum Symbol für den Frieden und gegen Atomwaffen. 1958 wurde im Friedenspark in Hiroshima mit Spenden ein Monument für den Kinderweltfrieden errichtet. An dem Monument werden immer wieder die aus ganz Japan zugesandten Origami-Kraniche angebracht.

In Europa wurde die Geschichte durch den Wiener Jugendschriftsteller Karl Bruckner bekannt.

Anlässlich der Konferenz Mayors for Peace, Bürgermeister für den Frieden am 11. Juni 2010 haben wir mit der 1000-Kraniche Aktion begonnen. Insgesamt über 3000 Papierkraniche wurden von der Origami-Gruppe an der Universität Potsdam mit Christine Pape und anderen, Japanologie-Studenten an der Universität Leipzig und in Berlin wohnenden Japanerinnen und Japanern gefaltet und wurden auf 3 Ketten 1000-Kraniche aufgefädelt.

Bild: © Tsukasa Yajima

Nach der Enthüllung des Gedenkortes wurden die 3 aufgefädelten 1000 Kraniche auf den Gedenkstein niedergelegt.

Danach wurde jeweils eine Kette 1000-Kraniche als Friedenssymbol mit der Botschaft vom Oberbürgermeister von Potsdam, Jann Jakobs, an die Städte Hiroshima und Nagasaki geschickt. außerdem wurde eine Kette an die Stadt Potsdam übergeben.




Videobotschaft vom Bürgermeister von Nagasaki,

Herrn Taue, für die Konferenz Mayors for Peace am 11. Juni 2010 (Japanisch) und die deutsche Übersetzung der schriftlichen Botschaft aus dem Japanischen

Die deutsche Übersetzung:
Im Anlass der heute stattfindenden Konferenz der deutschen Sektion der Mayors for Peace überbringe ich Ihnen als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger von Nagasaki die Botschaft.

Vor 65 Jahren, nämlich am 09.08.1945, um 11:02 Uhr, wurde die Stadt Nagasaki durch eine Atombombe angegriffen. Durch die unvorstellbare Hitze und Explosionswelle sowie die entsetzliche Strahlung wurden sehr viele würdige Leben geraubt. Die Menschen, die beinahe gestorben wären, haben immer noch in Leibe und Seele unheilbares Leid und leiden heute nach über 65 Jahren noch unter den Spätfolgen der radioaktiven Strahlung.

Wir, Bürgerinnen und Bürger von Nagasaki, rufen die Welt immer wieder zur Abschaffung von Atombomben und Realisierung des ewigen Friedens auf, um nach Nagasaki als Letztes nie wieder die Tragödie durch Atombomben zu wiederholen.

Während sich die Neigung zur Hoffnung auf eine atomwaffenfreien Welt international erhöht, besuchten anlässlich der im vergangenen Monat stattgefundenen NPT-Überprüfungskonferenz nicht nur die Atombombenüberlebenden (Hibakusha) aus Nagasaki, sondern auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, die in der Friedensbewegung aktiv sind, New York, und riefen gemeinsam mit den Mitgliedern der Konferenz Mayors for Peace aus aller Welt ausdrücklich zu einer atomwaffenfreien Welt auf.

Im Abschlussdokument der NPT-Überprüfungskonferenz erwähnte der Vorsitzende der Konferenz einen Atomwaffenverbotsvertrag, und dort wurde ferner auch behauptet, dass man sich für neue Vorschläge aus der Zivilgesellschaft interessieren soll. Die Stadt Nagasaki will sich noch weiter durch die starke Zusammenarbeit nicht nur mit den Mitgliedern der Konferenz der deutschen Sektion der Mayors for Peace, sondern auch mit der Zivilgesellschaft sowie mit zahlreichen Städten und Kommunen sowie Nichtregierungsorganisationen engagieren, die sich nach dem Frieden sehnen, gemeinsam für eine atomwaffenfreie Welt eintreten und die Realisierung des ewigen Friedens in der Welt alle Kräfte aufbieten.

Ich habe gehört, dass in den noch im Hiroshima-Nagasaki Platz in Potsdam zu errichtenden Gedenkstein ein durch die auf Nagasaki abgeworfene Atombombe verstrahlter Stein eingebettet wird. Aus diesem Anlass hoffe ich, dass die Beziehungen zwischen der Stadt Nagasaki und Deutschen noch vertieft werden.

Zum Schluss möchte ich mich bei dem Oberbürgermeister von Potsdam und den Beteiligten für die Organisation der Konferenz bedanken und wünsche allen Anwesenden in der Konferenz Gesundheit und viel Glück.

11. Juni 2010
TAUE, Tomihisa
Bürgermeister von Nagasaki




Konzept

Prof. Dr. Hideto Sotobayashi, ein Überlebender (➣ Hibakusha) des Atombombenangriffs auf Hiroshima, hatte sich unermüdlich für die Errichtung dieses Gedenkortes engagiert und Spenden dafür gesammelt. Prof. Dr. Hideto Sotobayashi hatte empfohlen, den damals schon pensionierten Künstler Makoto Fujiwara mit der Gestaltung des Gedenkortes zu beauftragen. Beide kannten sich schon seit Makotos Studienzeit in Westberlin.

Der Hauptort von Mokotos Arbeit war zu dieser Zeit der Steinbruch in norwegischem Larvik. Er ist sofort aus Norwegen nach Potsdam gekommen und hat einen großen Stein aus Norwegen vorgeschlagen. Der Verein war septisch bezüglich dieser Idee, wegen der hohen zu erwartenden Kosten. Makoto hat letztlich den großen Stein auf eigene Kosten angefertigt und als sein eigenes Kunstwerk nach Potsdam gebracht.

Doch zuvor musste ein Konzept geschrieben werden. Makoto hatte für die Gestaltung seine künstlerischen Vorstellungen, aber es war nicht seine Stärke, die Bedeutung seiner Kunstwerke offen zu legen. Er war der Meinung, dass das nicht seine Aufgabe sei, sondern man solle es selbst spüren, wenn man den Stein sieht. Makoto hat oft nur gesagt, dass sich der Standort und dessen Umgebung durch den großen Stein ändern. Einige haben aber geahnt, dass die Kristalle im großen Steine die Augen der Opfer symbolisieren.

In Zusammenarbeit mit Mitgliedern des Vereins wurden in Absprache mit Makoto durch eine japanische IT-Designerin Gestaltungsvarianten virtualisiert. Dieses Konzept wurde dann der Stadtverwaltung vorgelegt.

Die Idee mit den verstrahlten Steinen auf einer Gedenkplatte stammte nicht von Makoto, sondern von Herrn Tetsuo Kaneko aus Hiroshima. Er hatte dafür in Japan Spendengelder gesammelt. Damals hieß der Platz Hiroshima-Platz. Deshalb hat man zuerst nur an einen Stein aus Hiroshima gedacht. Erst später gab es von einer in Berlin lebenden japanischen Kunststipendiatin aus Nagasaki den Vorschlag, auch einen verstrahlten Stein aus Nagasaki in den Gedenkort zu integrieren. Aber es war nicht einfach, Unterstützer aus Nagasaki zu gewinnen, da damals der Name Nagasaki fehlte. So kamen die ➡ Spendengelder aus Japan fast nur aus Hiroshima.

Aber für einige Mitglieder des Vereins war es schon vom Anfang klar, dass der Platz eigentlich Hiroshima-Nagasaki-Platz heißen müsste. Es dauerte eine Weile, bis der Verein sich darauf geeinigt hatte. Danach dauerte es noch länger bis zur Umbenennung des Platzes
(➡ Umbenennung in „Hiroshima-Nagasaki-Platz“).